Die Zeit war einfach reif für einen Neuanfang. Partnerschaft zu Ende, die (Übergangs-)Wohnung rief nach einem Wechsel und vor allem: Ich will selbstbestimmt sein, das Leben und meine eigene Kraft spüren!
Der erste Schritt gelang prächtig: Im März entschied ich mich, in die Schweiz auszuwandern. Ich bewarb mich – naheliegend als Postzusteller - und nach etwas Durchhalten bekam ich bald einen Termin zum Vorstellungsgespräch - mit Probearbeit! So fuhr ich also in traumhafter Bergkulisse in Graubünden Briefe und Pakete umher. Zu meinem Geburtstag Anfang Mai erhielt ich dann die Zusage! Und somit hatte ich die wichtigste Voraussetzung, in der Schweiz leben zu dürfen.
Und dann hat mich irgendeine Kraft gepackt. In meinem deutschen Postler-Job konnte ich keine freien Tage bekommen, eher wurde ich gebeten auf welche zu verzichten. So hatte ich nur ein Wochenende um eine Wohnmöglichkeit in Graubünden zu finden. Und: es klappte! Kurzfristig bekam ich zwei Zimmer in einer 2er-WG zugesichert. Direkt im Anschluss musste ich die bestehende Wohnung am Starnberger See schnellstmöglichst räumen. Sie hatte ich im Vertrauen bereits frühzeitig gekündigt. Meine scheidende Partnerin konnte mir nur beschränkt eine Hilfe sein und so arbeitete ich tags für die Post, bis spät in die Nacht packte ich Kartons. Es lief nicht perfekt und ich bin dankbar über die Hilfe, z. B. dass der befreundete Max von einem Moment auf den andern eine Ladung Kartons unkompliziert für mich einlagerte. Für eine tolle Zwischenwohnmöglichkeit am Ammersee, und dafür dass meine Eltern bei Renovierungen geholfen hätten und bei der Umzugsfahrt da waren. Neben dem Auszug war noch eine Riesenmenge Papierkram zu erledigen, von Arbeitsunterlagen über die Aufenthalts-Genehmigung bis zu Zollformularen. Es fühlte sich schlussendlich toll an, dass ich das alles so flott und auf meine Weise geschafft habe. Wie gesagt war es, als wäre ich bei diesem Unternehmen von irgendeiner Kraft getragen. Oder ist's gar meine eigene?
Als ich den ersten Zustellkunden vorsichtig weismachte, dass sich bald ein Nachfolger um ihre Sendungen kümmerte, war die Enttäuschung oft groß. Ich war baff, dass in nur einem guten Jahr für viele Leute eine Bindung zu Ihrem Briefträger entstanden ist. Also traute ich mich: ich machte meinen Abschied öffentlich – und lud quasi das halbe Dorf dazu ein, im Biergarten nochmal gemeinsam auf den tollen Ort anzustoßen. Ich staunte dann nicht schlecht, dass fünf Biertischgarnituren von Leuten (auch Arbeitskollegen) zusammen kamen. Ich merkte, dass ich etwas richtig gemacht haben muss und scheinbar etwas habe, das Leute gerne mögen. Es fühlte sich so lebensfreudig an, an dem Abend auch noch zum freien Tanz einzuladen und tatsächlich gab es eine nette Gruppe die sich traute auf meine (Wave-orientierte) Playlist zu tanzen. Den krönenden Abschluss machte dann noch ein Paar, das zufällig vorbeiging, mit mir ins Gespräch kam und mir dann spontan einen sagenhaften Schweizer Jodler mit auf den Weg gab! Ein gigantischer Abend! Und am nächsten Tag zog ich bereits um!
Das war der nächste Glücksrausch: Die Wohnung und das Dorf kannte ich ja noch gar nicht bei Tageslicht. Ich sah sie wegen mehrere Termine erst spät nachts und hab die Gegend eher initutiv wahrgenommen. Als ich dann zum ersten Mal bei Tag und Sonne dort war, war ich geflasht! Ein idyllisches kleines Schweizer Dorf. Man erreicht es über eine winzige Brücke über den Rhein. Im Hintergrund der Hausberg, im Dorf die größte Mausohren-Fledermauskolonie des Landes. Umringt von Weinreben. Den ganzen Tag hat man Sonne und wenn sie untergeht taucht man jedes Mal in ein neues großes Lichtspektakel.
Das war wirklich ein
rauschender Abschied und von mehreren Seiten hörte ich, dass so
ein fließender Abschied meist ein gutes Zeichen für den
neuen Anfang bedeutet.